Theologie

Worum geht es in der Theologie überhaupt? Zunächst einmal natürlich um Gott (griechisch theos). Um Gott, der nach dem biblischen Glauben alles erschaffen hat, die Welt und uns Menschen. Also muss es in der Theologie auch gehen um Welt, Menschen und die Beziehung von Welt zu Gott, Mensch zu Gott, Mensch zu Welt, eigentlich ganz unbescheiden um alles, um eine Gesamtdeutung der Wirklichkeit. Und das als Wissenschaft - als Wissenschaft vom Glauben, als wissenschaftliche Reflexion des Glaubens. Ein Versuch einer Antwort auf die Frage nach unserer Hoffnung: "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt." (1 Petr 3,15)

Aristoteles versteht unter Theologie die Metaphysik, aber nicht nur als Lehre von den unkörperlichen Dingen und dem höchsten Seienden, sondern auch als Wissenschaft vom Seienden überhaupt. Für die Erforschung und Darstellung der christlichen Lehre waren in den ersten Jahrhunderten Bezeichnungen wie "Lehre oder Rede über die Göttlichkeit", "christliche" oder "heilige Lehre" oder einfach "heilige Schrift" gebräuchlich. Zwar lässt sich der Begriff Theologie im Christentum bis ins dritte Jahrhundert zurückverfolgen, ihren Wissenschaftscharakter gewinnt die Theologie aber erst mit dem Entstehen der ersten Universitäten im 13. Jahrhundert.

Der Begriff Theologie setzt sich aus den griechischen Worten theos (Gott) und logos (Lehre) zusammen. So wie die Biologie als Lehre vom Leben, die Geologie als Lehre von der Struktur der Erde verstanden werden kann, darf jedoch Theologie nicht missverstanden werden als Lehre von Gott. Das ist sie nicht und könnte sie auch nie sein. Denn das würde einen Gott voraussetzen, den wir vollständig verstehen, über den wir alles wissen und folglich lehren könnten.

Auch Goethes Faust hat so seine liebe Not, eine gute Übersetzung für logos zu finden. Ausspruch Gottes, Befehl, Weissagung, Lehre, Sprechen, Mitteilung, Wort, Rede, Erzählung und viele Bedeutungen mehr kann dieses Vokabel haben. Inhaltlich dürfte für die Theologie Rede eine ganz brauchbare Übersetzung sein. Theologie also nicht als Lehre von Gott, sondern als Rede über Gott verstanden, oder noch besser als Rede vor und mit Gott.

In der Theologie kann es daher nie nur darum gehen, einfach ewige Wahrheiten zu lehren, sondern vielmehr nach ihnen zu suchen. Zu versuchen, das Höchste, das Unaussprechliche, das Geheimnisvolle - und seine Beziehung zu uns - in Worte zu fassen und in menschlicher Sprache auszudrücken.

Dabei geht sie als wissenschaftliche Disziplin systematisch vor. Wissenschaftlichkeit bedeutet nicht Natur-Wissenschaftlichkeit. Wissenschaftlich bedeutet nach ihren eigenen Methoden (systematisch und nachvollziehbar). Sie sucht Erkenntnisse nach den Standards der Rationalität und nach den Regeln der Logik zu gewinnen, in begriffliche Urteile zu fassen und in einen Gesamtzusammenhang zu stellen. In ihren Teildisziplinen werden ganz unterschiedliche Methoden angewendet: In der biblischen Theologie bedient sie sich unter anderem sprachwissenschaftlicher Methoden, um den hebräischen, griechischen, lateinischen Texten gerecht zu werden, die Kirchengeschichte bedient sich geschichtswissenschaftlicher Methoden, um historische Quellen zum Sprechen zu bringen, im Kirchenrecht werden rechtswissenschaftliche Methoden angewendet oder die Religionspädagogik bedient sich der in Psychologie und Pädagogik üblichen Methoden, dazu in den philosophischen Teildisziplinen das gesamte Repertoire der philosophischen Logik.

Wer der Theologie ihren Wissenschafts-Charakter abspricht bezeugt damit nur, sich mit dem Wesen von Wissenschaft nicht sehr auseinandergesetzt zu haben und Wissenschaft mit Natur-Wissenschaft zu verwechseln. Auch Disziplinen wie Philosophie, Technik, Medizin, Kunst oder Wirtschaftswissenschaften haben je eigene Methoden, die nicht immer die Methoden der Naturwissenschaften sind. Wer das übersieht, läuft Gefahr, in die Falle des naturalistischen Fehlschlusses zu tappen.

Theologie richtig verstanden hat nicht irgendwelche Wahrheiten, sondern ist immer auf der Suche. Neue Erkenntnisse werden untersucht, gedeutet und versucht in ein Gesamtsystem zu bringen. Insofern es in der Theologie um eine Gesamtdeutung der Wirklichkeit geht, ist sie auch gut beraten, in den Dialog mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen über die Wirklichkeit einzutreten. Auf Erkenntnisse aus Physik, Biologie, Psychologie usw. kann und darf die Theologie nicht verzichten. Neue Erkenntnisse in anderen Disziplinen können auch für die Theologie neue Herausforderungen darstellen, zu neuen Erkentnissen führen und sie insgesamt weiterbringen. Dass beispielsweise in den Naturwissenschaften heute alles weit weniger klar und determiniert erscheint als gedacht, hat breiten Raum für einen Dialog geöffnet.

Literatur:
Beinert, Wolfgang: Theologische Erkenntnislehre, in: Beinert, Wolfgang (Hg.): Glaubenszugänge. Lehrbuch der katholischen Dogmatik in drei Bänden, Band 1, Paderborn 1995
Pannenberg, Wolfhart: Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt am Main 1973
Sölle, Dorothee: Gott denken / Einführung in die Theologie, München 1997

veröffentlicht am 20.05.2013